Kollagenosen und Vaskulitiden

September 2012

Sonstiges

Es erfolgte der Hinweis, dass die letzten begutachtungsrelevanten Beschlüsse vom März 2012 unter den Ausführungen zur aggressiven Therapie eine fehlerhafte Aussage enthalten. Im Ergebnis einer Überprüfung wurde beschlossen, den Satz „Hinweis: In der Regel werden ohnehin Tagesdosierungen von 0,5-1,5 mg Prednisolon-Äquivalent pro kg Körpergewicht weit unterhalb der Cushing-Schwelle verwendet.“ ersatzlos zu streichen.

März 2012

Was ist im Rahmen der Behandlung von entzündlichrheumatischen Krankheiten, Kollagenosen und Vaskulitiden unter einer „aggressiven Therapie“ zu verstehen?

Die VersMedV gibt vor, dass bei einer anhaltenden aggressiven Therapie ein GdS von 50 nicht unterschritten werden sollte. Angesichts einer in der anerkannten Fachliteratur fehlenden Begriffsbestimmung ist fraglich, was unter einer aggressiven Therapie zu verstehen ist.

Im Ergebnis einer umfänglichen Fachdiskussion wurde festgehalten, dass eine „aggressive Therapie“ in Zeiten rasch fortschreitender Arzneimittelentwicklung und Fortentwicklung der Therapieleitlinien nicht durch eine feste Arzneimittelkombination definiert ist.

Vielmehr sind die Auswirkungen einer über 6 Monate anhaltenden Therapie zu berücksichtigen. Vom BMAS wurde darauf hingewiesen, dass sich die Gesamtüberarbeitung der VersMedV mit der Thematik klarstellend befassen wird.

In Anbetracht derzeit erheblich diffuser Interpretationsvarianten und damit einhergehend grober Bewertungsschwankungen wurde beschlossen, der versorgungsmedizinischen Begutachtung überbrückend folgende Bewertungshilfen zur Hand zu geben:

1. Die bei weitem aggressivste Form der Therapie stellt die Behandlung mit dem Zytostatikum Cyclophosphamid dar. Die für die Immunsuppression benötigte Dosierung unterscheidet sich kaum von der in der Tumortherapie eingesetzten Dosis. Wegen Karzinogenität gilt jedoch äußerste Zurückhaltung bei Verwendung außerhalb der Krebstherapie. Durch Beeinträchtigung der Immunantwort besteht die Gefahr lebensbedrohlicher, bisweilen tödlicher Infektionen.

2. Das Zytostatikum Methotrexat, das als DMARD (disease modifying antirheumatic drug) in erheblich niedrigerer Dosierung eingesetzt wird (7,5-20 mg pro Woche) als zur Tumortherapie, zeigt nicht annähernd die gleichen Nebenwirkungen. Auch die Therapie mit den Immunsuppressiva Azathioprin, Ciclosporin und Mycophenolatmofetil weist nicht das gleiche Gefährdungspotential auf, so dass hier nicht von einer aggressiven Therapie im Sinne der versorgungsmedizinischen Grundsätze auszugehen ist.

3. Hinsichtlich der relativ neuen Gruppe der Biologika liegen gegenwärtig keine Daten vor, die gegenüber dem Cyclophospahmid ein vergleichbares Spektrum an unerwünschten Wirkungen aufweisen. Von einer aggressiven Therapie im Sinne der versorgungsmedizinischen Grundsätze ist nicht auszugehen.

4. Bei schweren Verlaufsformen der Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises erfolgt die medikamentöse Therapie zusätzlich mit hochdosierten Glucocorticoiden. Darunter ist eine Dosierung zu verstehen, die sich deutlich oberhalb der Cushing-Schwelle von 7,5 mg Prednisolon-Äquivalent pro Tag bewegt. Bei einer alleinigen Therapie mit hochdosierten Glucocorticoiden handelt es sich nicht um eine „aggressive Therapie“. Sollte dieselbe über sechs Monate anhalten, sind die Auswirkungen entsprechen eines Cushing-Syndroms (Versorgungsmedizinische Grundsätze 15.7) zu bewerten. Hinweis: In der Regel werden ohnehin Tagesdosierungen von 0,5-1,5 mg Prednisolon-Äquivalent pro kg Körpergewicht weit unterhalb der Cushing-Schwelle verwendet.
Resümee
Von einer aggressiven Therapie im Sinne der VersMedV (GdS wenigstens 50!) kann ausgegangen werden, wenn Zytostatika im Anfangsstadium einer hochentzündlich und aggressiv verlaufenden Erkrankung in hoher Dosierung zur Vermeidung von irreparablen Gelenk- oder Organschäden eingesetzt werden müssen und hierbei mit starken Nebenwirkungen durch die Chemotherapie gerechnet werden muss. Diese Nebenwirkungen würden auftreten in Form einer deutlichen Schädigung der Blutzellen, sich darstellen durch massive Entzündungen der Schleimhäute und eine Blutungsneigung, sich dokumentieren durch eine starke Appetitlosigkeit, durch eine erhebliche Müdigkeit und Erschöpfung, wenn chronische Organschäden an Herz, Lunge und Nieren drohen und wenn mit Nervenstörungen zu rechnen ist.



Versorungsmedizinische Grundsätze
in der Fassung der 5. Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung